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Archiv für den 19. Juli 2007

Feierabend: ich steuere auf Klingewalde nördlich von Görlitz zu. Dort erwarten mich Eberhard und seine Frau Helga. Ein Treffen, das sich am Mittag an einem Scheideweg ergeben hat.

Als ich am Ortsausgang von Ostritz am Straßenrand meinen Kurs überprüfte, hat Eberhard mich angesprochen um mich zu fragen, ob ich schon ein “Quartier” - das heißt eine Unterkunft - hätte, wo ich die Nacht verbringen könnte. Und ich erklärte ihm, dass ich jedes Mal versuche, die Nacht bei Einheimischen zu verbringen, um so die Gegend besser kennen zu lernen usw. usw. Eberhard sagt mir, dass er mit seiner Frau eine Pension betreibe, dass ich ohne Probleme mein Zelt bei ihnen im Garten aufschlagen könne und dass in der Pension sowieso Zimmer frei wären. Kurz, ich bin willkommen! Unglaublich, als ob dieser Eberhard vom Himmel gefallen sei!

Als ich in Klingewalde angekommen bin, werde ich königlich empfangen: wir verbringen den Abend zu dritt bei einem Glas Wein und diskutieren, teilen unsere jeweiligen Erfahrungen. Helga und Eberhard interessieren sich für den Veloblog, wir schauen zusammen die Fotos an. Sie begeistern sich für das Projekt und raten mir, zur Sächsischen Zeitung und zu Radio Lausitz zu gehen, um den morgigen Tag anzukündigen: ein Ratschlag, der sich als nützlich erweisen wird… Danach sprechen wir über die Tour de France, Eberhard ist Zweiradfan. Als “Kind von Görlitz” kennt er die Gegend bestens, sowohl die deutsche als auch die polnische Seite, denn er hat sie mit dem Rad durchfahren. Und es beginnt ein Gespräch über Schlesien, seine Geschichte und seine Kultur. Helga arbeitet in der Verwaltung des neuen Schlesischen Museums in Görlitz!

Dort kann man alles Revue passieren lassen: die alten Schlesier, die sich nach Polen begeben, um zu sehen, was aus ihren Häusern geworden ist, in denen sie wohnten, bevor sie 1945 vertrieben wurden, sowie die anderen, die dem Museum das spenden, was ihnen von einst geblieben ist.
Und dann sprechen wir über das Schlesische Porzellan, die Motive und das Blau der Bunzlauer Keramik, nach der die Amerikaner so verrückt sind. Helga schenkt mir eine Ausgabe des Magazins “Schlesischer Kulturspiegel”, in dem die Geschichte des schlesischen Porzellans erläutert wird. Von den vierzig Unternehmen, die zwischen 1820 und 1945 Porzellan “von Qualität und zu annehmbaren Preisen” produzierten und bis zu 1000 Personen beschäftigten, sind heute nur noch zwei Betriebe in Waldenburg übrig. Aber das Interesse an besagtem Porzellan besteht noch immer, erklärt Helga. Darum wird das Schlesische Museum Ende Oktober eine Ausstellung zum schlesischen Porzellan eröffnen, die danach in verschiedenen anderen Museen in Deutschland und Polen gezeigt wird.

Es gibt so viel zu sehen und zu lernen… ja, ich muss wiederkommen!



Nachdem ich mich mit der Partnerorganisation “Wir°My” getroffen habe, um die letzten Vorbereitungen für die Rallye in Görlitz-Zgorzelec zu treffen, mich in der Neißegalerie vorgestellt habe und beim Flyer Verteilen mehrfach die Frage zu hören bekam “Sind Sie die Französin von der Zeitung?”, sitze ich jetzt einem jungen Kommunikationstrainer gegenüber, Jörg Heidig, Diplom-Kommunikationspsychologe und Mitarbeiter des Instituts für Kommunikation, Information und Bildung” in Görlitz.

Der junge Intellektuelle war mir von Rebecca empfohlen worden - meiner ersten Gastgeberin in Großhennersdorf - weil er gerade seine Doktorarbeit darüber schreibt, wie sich Deutsche, Polen und Tschechen selbst und gegenseitig einschätzen. Der Blick des Anderen auf den Anderen in der Euroregion Neiße, auf Grundlage einer Stichprobe von fünfzehn bis zwanzig Personen pro Land. “Mein Ziel ist es, das Verständnis und damit die Kommunikation zwischen den drei Ländern zu verbessern”, so Jörg Heidig. “Im Moment gibt es zwar Kooperationen, aber die sind mehr oktroyiert als spontan.”

Derzeit steht er am Anfang der Empiriephase seiner Dissertation und befragt die Deutschen über ihr Bild von sich selbst, den Polen und den Tschechen. “Man findet wirklich die alten Stereotypen wieder, wie etwa, dass die einen wie die anderen arm, aber herzlich und gastfreundlich sind. Viele Deutsche fühlen sich den Tschechen näher als den Polen. Vielleicht, weil die Tschechen lange im deutschen Sprachbereich gelebt haben”, meint Jörg Heidig.

Nach den ersten Interviews scheint der EU-Beitritt Polens und Tschechiens im Mai 2004 zwiespältig beurteilt zu werden. “Die einen finden es gut, seit der EU-Erweiterung weniger am Rand zu leben, die anderen fürchten einen Anstieg der Kriminalität, des Drogenhandels und der Autodiebstähle.” Und auf die Frage, ob eines Tages die Grenze verschwinden wird, bekommt er oft ein Nein, denn die Sprachbarriere bleibe ja sowieso…



Jul
19
Einsortiert unter (Lech, Zgorzelec, Görlitz, Görlitz-Zgorzelec, Allgemein) von traduction.allemand am 19.07.2007

…war ein Lech, ein kleines, da die Sonne heiß brannte!

Zusammen mit den drei polnischen Radfahrern, die ich unterwegs getroffen habe, bin ich in Zgorzelec angekommen. Es sind Mirek und seine Kollegen von der Notaufnahme eines Krankenhauses in Zgorzelec. Ich stottere ein bisschen auf polnisch und lerne, dass Lech, dessen riesige 0,66l-Flaschen praktisch an jeder Ecke serviert werden, aus Poznan kommt.



Jetzt schreibe ich gerade aus dem “Ratskeller”, dem ehemaligen Restaurant des Rathauses. Das Haus, derzeit unbewohnt - das heißt “zu vermieten” - liegt am Rathausplatz von Ostritz. Es ist schon eine eigenartige Erfahrung, jede Nacht woanders zu schlafen, von einem Kloster zu einem leer stehenden Haus zu wechseln. Ziemlich fasziniert von diesem Ort habe ich einen kleinen Rundgang gemacht, mit dem Fotoapparat in der Hand… Bilder (2,
3, 4, 5)
Schließlich ist auch das ein Element der Grenzregion, all diese Gebäude voller Geschichten, aber praktisch ohne Inhalt!

Den Schlüssel zu diesem Haus bekam ich freundlicherweise gestern von Gregor Glodek, der im Vereinshaus der kleinen Stadt sitzt und mir gerne deren Aktivitäten vorstellt. “Alles fing kurz nach der Wiedervereinigung an, ausgehend von persönlichen Kontakten, die auf beiden Seiten der Grenze bestanden”, erklärt er mir. “Wir wollten die bestehenden Grundannahmen besiegen, die alten Vorurteile so weit wie möglich auslöschen.”

Heute vereinigt das Vereinshaus mehrere Initiativen zur Kooperation zwischen den Nachbarländern unter seinem Dach. Hier ist der deutsch-polnische Kindergarten “Kinderhaus St. Franziskus” mit etwa zehn Kindern aus beiden Ländern, dort ein deutsch-polnisches Theater, das in beiden Sprachen 7-14jährigen Kindern die Kunst der Pantomime beibringt. Und das ist noch lange nicht alles! Einmal im Jahr fährt Gregor Glodek mit etwa zehn deutschen Gymnasiasten nach Polen, um mit dem Segelboot die Region Masuren zu erkunden. “Ohne es wirklich zu merken, bekommen die Jugendlichen auf diese Weise ein anderes Bild von Polen. Sie sehen es nicht mehr nur durch die Ramschläden entlang der Grenze, sondern entdecken es aus dem Inneren heraus.”

Schließlich organisiert das Vereinshaus Ostritz seit mehr als zehn Jahren die berühmten “Europawanderungen”: um die 40km, um in 3 bis 4 Stunden die drei benachbarten Länder Deutschland, Polen und Tschechische Republik zu entdecken. “Unser Ziel ist es, die Region als Einheit zu präsentieren, die Bewohner einzuladen, miteinander statt nebeneinander zu leben”, antwortet Gregor auf meine Frage nach dem Warum des Wie. “Der Fluss soll seine ursprüngliche Funktion wieder bekommen, uns zu verbinden und nicht zu trennen.” Und er fügt hinzu: “Wir haben mit einer Handvoll Leuten begonnen, und jetzt kommen fünf- bis sechshundert Teilnehmer aus ganz Deutschland mit uns!” 2003 bekamen die Wanderer sogar eine Sondergenehmigung, die Neiße bei Hagenwerder (nördlich von Ostritz) zu überqueren, obwohl die fragliche Brücke noch nicht in Betrieb war…

Gregor Glodek ist der einzige Vollzeitmitarbeiter des Vereinshauses für die Organisation all dieser Aktivitäten. Seine vielen Partner sind ehrenamtlich tätig, und wenn er auch nicht direkt den Wunsch danach äußert, so scheint er doch keineswegs abgeneigt zu sein, einige richtige Kollegen zu bekommen, um den Berg an Arbeit zu bewältigen…



Kleine organisatorische Pause: schließt Euch für eine Weile dem Veloblog an, in der Doppelstadt Görlitz-Zgorzelec, dort erwartet Euch ein furioses Programm (mit einem kleinen Klick oben links auf “Detailliertes Programm” erfahrt Ihr mehr). Alles ist kostenlos, aber kleine, liebevoll zubereitete Speisebeiträge sind sehr willkommen… für das Selbstversorgerbuffet des Abends!

Bemerkenswert: Elkin und Barbara, die ich in Großhennersdorf getroffen habe (siehe den Artikel über das Begegnungszentrum), kommen auch und werden eine Pantomimevorführung zum Thema “Grenze” darbieten…

Mehrere der Menschen, die ich auf der Reise getroffen habe, von den Schweizern aus Zittau bis zum Dönermann aus Ostritz, werden auch da sein… Also warum nicht auch Ihr?

Treffpunkt im Forum der Website für Fahrgemeinschaften und geteilte Bahntickets.

Gute Fahrt und bis bald: Ich muss mich jetzt auch auf den Weg machen.



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